Kein Fleisch

Dieses Jahr habe ich die Fastenzeit gefühlt zum ersten Mal wirklich ernst genommen. Es gab zuvor schon Jahre, in denen ich mir vorgenommen hatte, auf dies oder das zu verzichten, aber es hat nie länger als ein paar Tage geklappt… Dieses Jahr hat es das!

Wir alle vier haben gemeinsam auf Fleisch verzichtet, insgesamt 46 Tage lang. Und rückblickend kann ich sagen: Fleisch ist etwas, das ich gerne missen möchte.

Das überraschte mich selbst, denn seit ich denken kann, war es vollkommen normal und selbstverständlich, dass wir Fleisch gegessen haben. Morgens auf dem Pausenbrot, mittags mit Spaghetti und abends zum Abendbrot. Ich habe das auch lange Zeit nicht hinterfragt oder mich damit auseinandergesetzt, woher das Fleisch(-erzeugnis) stammt und wie die Haltungsbedingungen waren. Es war eben einfach ganz normal, viel Fleisch zu essen.

Irgendwann – das war in der Zeit, in der ich den Höhepunkt meiner Übergewichtigkeit erreicht hatte – habe ich dann damit begonnen, ein bisschen darauf zu achten, was ich über den Tag esse. Und infolgedessen einmal ganz stolz in mein Tagebuch geschrieben „Meine Abendessen sind jetzt vegetarisch!“. Ein Schritt war das, ja. Aber wann ich dann so richtig angefangen habe, den exzessiven Fleischkonsum zu hinterfragen, weiß ich gar nicht mehr genau.

Laut Statista haben wir in Deutschland im Jahr 2018 etwa 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf konsumiert. Das sind auf unsere Bevölkerungszahl (83 Millionen) hochgerechnet grob 5.000 Tonnen Fleisch oder auch 5.000 verspeiste Kleinwagen (anschaulichkeitshalber…). Unser Verbrauch liegt noch höher, da wir nur etwa zwei Drittel des Fleisches wirklich selbst essen. Das letzte Drittel landet in Tierfutter, wird industriell weiterverarbeitet oder…weggeworfen.

Gut, Zahlen auf Google suchen kann jeder. Ich habe nur versucht, die Lage ein wenig zu verdeutlichen: Wir essen sehr viel Fleisch allein in Deutschland und ich glaube, ich finde das nicht gut. Ich ganz persönlich. Aber auch ich esse wieder Fleisch, seit die Fastenzeit vorbei ist. Das Ziel: So wenig, wie möglich – aber keine Vermeidung um jeden Preis.

Das würde so oder so nicht funktionieren, da wir vier durchaus unterschiedlich essen. Aber sobald ich auswärtig esse, habe ich es in der Hand. Zuhause kann ich mich auch darauf verlassen, dass unser Fleisch zumindest in den allermeisten Fällen von nachhaltigen, verantwortlichen Höfen kommt. Aber weniger Fleisch zu essen ist etwas, das sich mit Sicherheit umsetzen lässt! Es gibt sogar ein passendes Wort dafür:

flexitarisch

Das ist mein Ziel für…mein kommendes Leben und es ist das, was ich in der Fastenzeit abseits von der Social Media Pause gelernt habe.

Das ist toll an Fasten: Ich kann ausprobieren, was ich wirklich brauche und was nicht. Und falls ich es wirklich brauche, geht es ja danach wie gewohnt weiter. Aber wenn es wie bei mir und dem Fleisch ist, dann kann man sich selbst ein bisschen besser kennenlernen!


Noch ein Gedanke zur Corona-Situation:

Wenn man so will, dann fasten wir alle im Moment auch. Zwar nicht ganz freiwillig, aber wir alle verzichten auf viele Dinge, auf viele Privilegien, die uns unsere „Normalität“ sonst bietet. Wir haben jetzt die Chance, zu sehen, was davon wir eigentlich wirklich brauchen!

Und falls uns auffällt, dass unser Leben auch ohne dies und das lebenswert ist, dann brauchen wir dies und das auch nicht mehr mit in die „Normalität“ (an die ich im Übrigen nicht so wirklich glaube) danach zu nehmen!

Mir geht das an manchen Stellen so.
Ich finde das wahnsinnig befreiend.

Das Coverbild hat Christopher Carson gemacht.

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