Too Much.

Wir haben zu viel.

Im Beitrag zur Langeweile ist es ja schon in einer Dimension angeklungen: Ich komme nicht mehr zurecht mit der Dichte an Content, die dutzende Firmen zur Verfügung stellen, damit ich mich nicht mehr langweilen muss. Das ist ihr Geschäft: Uns „Kunden“ beschäftigt halten mit Anschauen, Anhören, Spielen, Lesen, Essen oder Kaufen. Unsere Zeit ist ihr Geld, besonders über den ersten Kauf hinaus. Und das ist nur ein einziges Feld, in dem wir zu viel haben.

Anfang des Jahres habe ich ausgemistet und viel über Minimalismus gelernt – in voller Blüte kann und will ich diesen „Lebensstil“ nicht praktizieren, aber zumindest Ansätze davon übernehmen. Und da viel es mir wiederum auf: Ich habe so viel Zeug. Gedöns ist ein noch passenderes Wort, wie ich finde. Und das sage ich, der ich vor etwa einem Jahr umgezogen bin! Unser Haus ist jetzt nur halb so groß wie das Alte – und dennoch haben wir und ich so viele Sachen.

Unangenehm wurde es dann, als ich damit anfing, das Ausmisten zu Ende zu denken: Nur, weil ich dies oder jenes nicht mehr sehe, ist das Problem damit noch nicht aus der Welt geschafft… Das fällt zum Beispiel bei Elektroschrott besonders ins Gewicht: Ich kann die Sachen zum Recyclinghof bringen (und damit wären sie ja eigentlich nicht mehr mein Problem), aber ab dann nur noch hoffen, dass sie verantwortungsbewusst und vor allem umweltfreundlich weiterbehandelt werden. Oft ist das leider nicht der Fall. Wer dazu einen Eindruck bekommen möchte, dem kann ich folgendes Video vom niederländischen Dave Hakkens ans Herz legen:

All unser Zeugs landet am Ende irgendwo – vollkommen egal, ob es nun irgendein elektrisches Gerät oder billige Schuhe sind.

Beim Ausmisten habe ich daher mehrere Dinge gelernt, nämlich einmal…

Umso weniger Dinge ich besitze, desto weniger bin ich auch gestresst.

Ich habe immer noch unglaublich viele Sachen, keine Frage. Es sind so viele, dass ich Tage bräuchte, um eine Liste von allem anzufertigen. (puh) Aber es ist entspannter, wenn ich in meinem Zimmer nicht von dutzenden kleinen Sachen abgelenkt werde und zumindest hier wirklich nur das sehe, was ich auch sehen möchte (meistens zumindest). Ich versuche, immer wieder ein bisschen auszumisten, aber so wenig wie möglich wegzuwerfen! Spenden, Schenken oder Recyclen (hoffentlich…) sollten der Way-To-Go sein.

Ich brauche nicht alles. Wo sollte ich auch alles unterbringen können?

An dieser Stelle spielt man mit uns, und das sogar unfassbar gut. Werbung macht genau das: Sie gibt uns das Gefühl, wir bräuchten dies oder das, um letztendlich wirklich glücklich zu sein. Oder, um ein erfolgreicherer, schönerer, besserer Mensch zu sein. Das ist fies und gerade was zum Beispiel Technologie angeht, bin ich für diese Reize extrem anfällig… Mein iPhone zum Beispiel feiert bald seinen ersten Geburtstag – nicht einmal 12 Monate ist es alt – und es ist trotzdem absehbar, dass es im Herbst gleich zwei Mal überholt sein wird. Dieses Ding werde ich noch problemlos bis 2023 benutzen können, aber neue, bessere, schnellere Geräte locken…

Ansonsten gilt es: Wenn ich den Drang habe, etwas neu(es) zu kaufen, dann versuche ich, so lange wie nötig darüber nachzudenken. Schon öfter hat sich nämlich nach drei oder vier Tagen herausgestellt, dass ich es gar nicht gebraucht habe.

Abschließend zitiere ich am besten noch einmal Dave Hakkens:

Things are not designed to last

Dave Hakkens

oder auch: „Sachen sind nicht dazu ausgelegt, lange zu halten“ Dabei können auch wir entscheiden, wie lange wir sie halten möchten. Und wir können entscheiden, ob es wirklich jeder SALE oder ein billiges Handy sein müssen. Aber was mache ich mir vor? Als ob das von Interesse wäre, wenn es so oft nur um den höchsten Umsatz geht.

1 Kommentar

Hallo Tilman,

daran knabbert (oder frisst) die ganze westliche Welt, die auf (materiellem) „Wachstum“ aufgebaut ist…

„Besitz macht besessen“ ist eines meiner Lieblingszitate und vieleicht kennst du das Buch „Haben oder Sein“ von Erich Fromm…(?)

Ich bin an der Too-much-Thematik auch noch am Üben und frage mich dabei (wenn es mir gelingt): Für was steht die Sache, die mir durch den Kopf geht und die ich haben will? Um was geht es mir dabei eigentlich?
Werde ich mich mich dauerhaft an diesem schönen Ding freuen oder brauche ich einen kurzfristigen Kick?
Ist es letztlich Freude, die mich leitet oder eine Art Ersatzbefriedigung?

Es gibt ja den Begriff „Frustkauf“. Welchen Frust verdränge ich durch den Kauf? Wie gehe ich gut mit Frust um, ohne ihn wegzukaufen?

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